Der Küchentisch ist auch ein Schulraum
Ein Gast-Beitrag von Claudia Nielsen
Wie haben Sie letztes Jahr gesagt, wenn Sie einen Kurs besucht haben? «Ich gehe jetzt in diesen Kurs, der …»? Gehen, besuchen … diese Begriffe kommen nicht von ungefähr. Ortsveränderung, den Körper bewegen gehört(e) selbstverständlich dazu. Gemeinsam mit anderen im gleichen Raum sein. Diese Selbstverständlichkeit ist, zusammen mit weiteren Selbstverständlichkeiten, seit Mitte März keine mehr.
Präsenzunterricht wurde per 16. März 2020 bis auf Weiteres untersagt und wird nur schrittweise, unter Einschränkungen und auf Zusehen hin wieder erlaubt. Auch jetzt, wo ich diesen Text schreibe, ist es noch in weiter Ferne, «wie früher» in einen Kurs oder an eine Veranstaltung zu gehen.
Grosser Aufwand für die Angebote – vertretbarer Aufwand zu Hause
Der Lockdown
Mich erreichte die Nachricht am 13. März in Luzern, am dritten Tag meiner Weiterbildung. Ich verliess sie früher, um die Stosszeit zu vermeiden. Am nächsten Tag war die Stimmung im Kursraum eigenartig, es roch nach Desinfektionsmitteln und die Frage, wie nahe noch okay sei, schwang im Raum.
Zwei Wochen später trafen sich vierzehn Teilnehmende, die Referentin aus ihrer deutschen Quarantäne und die Kursleiterin auf Computerbildschirmen. Am Ende des ersten Kurstages war ich nudelfertig und die hevorragende Referentin wohl erst recht. Was ich damals nur ahnte: Welch immenser Aufwand der Bildungsinstitutionen hinter dieser abrupten Umstellung steckte. Da waren meine häuslichen Unbequemlichkeiten Pippifax im Vergleich.
Ich war einfach heilfroh, ein funktionierendes WLAN zu haben, in einer hellen Wohnung mit Balkon zu wohnen und den kleinen Tisch in der Wohnzimmerecke fürs Heimbüro frei räumen zu können. Der Küchentisch als Arbeitsfläche war mir rasch verleidet. Es tut gut, fürs Essen und Zusammenkommen an einen anderen Tisch zu gehen. Das Bügelbrett soll übrigens als Laptop-Unterlage auch nicht schlecht sein.
Nun habe ich eine Vielzahl von Videokonferenz-Programmen kennen gelernt, Coaching-Sitzungen am Bildschirm durchgeführt, Online-Apéros mit Freundinnen ausprobiert, mit meiner Mutter Video-Telefonie geübt und meine Heimbüro-Ecke so eingerichtet, dass mein Gesicht auf dem Bildschirm nicht im Schatten ist. Inzwischen hängt sogar eine Whiteboard-Folie anstelle eines Flip-Charts hinter mir. Wenn die Kundinnen und Kunden «Sprecheransicht» einstellen, sehen sie, was ich dort für sie aufzeichne.
Die letzten drei von achtzehn Kurstagen mit den Gspänli im gleichen Raum zu sein, war eine Freude. Das Institut hatte einen dreimal so grossen Raum organisiert und viele Vorsichtsmassnahmen getroffen. Und doch war etwas Anspannung nicht zu leugnen: War das nun zu nahe? Oder hätte ich den Stift desinfizieren sollen, bevor ich ihn weitergab?